2) Als die Sirenen heulten

Der Luftschutzort zweiter Ordnung Olpe umfasste den Stadt‑ und Amtsbezirk. Sachbearbeiter der Polizeiverwaltung und Gemeindegruppenführer des Reichsluftschutzbundes war Stadtinspektor Bernhard Knecht. Die Exekutivpolizei leitete Polizeimeister Erich Wegmann. Als Luftschutzausbilder fungierte Lehrer Hugo Schindler.

Regelmäßige Aufzeichnungen über die Luftlage, die von Knecht und Wegmann stammen, datieren ab Oktober 1940, wobei seit September 1942 dann eine zweckmäßigere Form der Statistik begann. Die Meldungen über die ausgelösten Alarme im März und April 1945, wo es tagelang Daueralarm gab, unterblieben aus Zeit bedingten Gründen und wurden deshalb von mir aus anderer Quelle ergänzt. Von September 1942 bis Februar 1945 hatte der LS-Ort Olpe bei 607 registrierten Warnungen insgesamt 425 Stunden und 22 Minuten lang Fliegeralarm. Außer der Abwurfmunition fielen noch auf Stadt und Amt: elfmal zahllose Flugblätter, die ersten in der Nacht zum 30.07.1940 über Eichhagen‑Stade; auch Leuchtschirme, Reservebrennstoffkanister und Hunderte von Staniolstreifen. In der Nacht zum 05.11.1944 stürzte bei Altenkleusheim ein deutscher Nachtjäger (Me 109) [Me=Messerschmidt]  ab. Maschine und Pilot verbrannten.

 

DOKUMENTATIONEN:

Ein Plakat 1944

 Achtung! Achtung! Volksgenossen! Letzte Warnung!

Immer wieder wird auch im hiesigen Kreisgebiet die Feststellung gemacht, dass bei Fliegeralarm und Überfliegen der Ortschaften durch feindliche Kampfverbände ein großer Teil der Bevölkerung auf der Straße steht und in einer geradezu verbrecherischen und unverantwortlichen Weise ihr Leben und das seiner Kinder aufs Spiel setzt.

Da bisher alle Ermahnungen und Warnungen nichts gefruchtet haben und durch das leichtsinnige Verhalten der Bevölkerung Katastrophen entstehen können, sind die örtlichen Luftschutzleiter angewiesen, durch ihre Polizeiorgane unter Mithilfe von besonders aufgestellten Polizeitrupps, den Amtsträgern des Reichsluftschutzbundes und den Führern des Selbstschutzes mit den allerschärfsten Mitteln unter Verhängung hoher Geldstrafen gegen die unbelehrbaren Volksgenossen vorzugehen.

Die Kontrollorgane tragen weiße Binden, die mit einem Polizeistempel versehen sind; ihrer Anweisung ist unbedingt Folge zu leisten. Volksgenossen, die bombengeschädigt und nach hier evakuiert bzw. hier untergebracht sind, haben sich ebenfalls der Disziplin zu fügen.

Auch für die Bevölkerung der Ortschaften, in denen kein Alarm gegeben wird, besteht die Verpflichtung, beim Überfliegen der Ortschaften durch feindliche Kampfverbände oder Störflugzeuge die Schutzräume aufzusuchen und sich luftschutzmäßig zu verhalten.

Schulkinder, die bei Luftgefahr aus der Schule entlassen werden, haben sich auf schnellstem Wege nach hause oder zu den Volksgenossen zu begeben, die für ihren Schutz durch die örtl. Luftschutzleiter oder deren Beauftragte verantwortlich gemacht worden sind. Diese Volksgenossen und die Eltern haben die Pflicht, die Kinder zu luftschutzmäßigem Verhalten zu zwingen, da andernfalls bei Feststellung von Nachlässigkeiten polizeiliche Strafen verhängt werden.

 

Der Kreisleiter

der NSDAP

gez. Neuser

Der Landrat

des Kreises Olpe

gez. Rotberg

Der Ortsgruppenführer

des R. L. B.

gez. Maikranz

 

 

Acht "Sirenentage" ‑ Aus dem Tagebuch des 13‑jährigen Helmut Berghaus, Olpe, Am Gallenberg 14

 21. 3. 1945:

3 bis 5.30 Uhr Fliegeralarm, sonst immer Flieger ohne Alarm ‑ 6 Uhr Brandbomben und Bordwaffen  viel Alarm ‑ Brandalarm.

 22. 3. 1945: 

7.45 Alarm - Entwarnung ‑ Alarm bis 13.30 Uhr - immer Flieger -  immer noch Alarm ‑ prima Sonne - immer noch Alarm ‑ 6 Flugzeuge ‑ immer noch Alarm ‑ ca. 145 viermotorige Bomber übergeflogen ‑ Bordwaffen und Brandbomben ‑ immer noch Flieger ‑ immer noch Alarm ‑ keine Flieger ‑ wieder Flieger ‑ Alarm von 22 bis 23 Uhr ‑ Vorentwarnung von 23 bis 24 Uhr.

 23. 3. 1945:

7.30 Uhr Alarm ‑ 8 Uhr Vorentwarnung ‑ weitab Bordwaffen, Flieger, Bordwaffen, Tiefflug aus der Sonne ‑  11.30 Uhr ein Verband von 26 Stück über uns ‑ rege Einzelfliegertätigkeit ‑ 20 bis 30 starke Verbände übergeflogen mit Jagdschutz, Thunderbolts und Lightnings ‑ danach weiterab Tiefflieger ‑ Vorentwarnung ‑ Tiefflieger, Bordwaffen, Brand ‑ Entwarnung, Flieger, Vollalarm, Vorentwarnung ‑ Entwarnung ‑ 22.30 bis 23.15 Uhr Voralarm ‑ vorher und nachher rege Einzelfliegertätigkeit ohne Alarm.

 24. 3. 1945:

Akute Luftgefahr und Alarm um 9 Uhr ‑ Vorentwarnung  ‑ Vollalarm ‑ Vorentwarnung ‑niedrige Flieger ‑ Vollalarm ‑ Tiefflieger, ohne zu schießen, 2 Stück, Kokarden erkennbar ‑ Vorentwarnung ‑ Flieger, ein Verband von 12 Stück übergeflogen und mehrere Einzelflieger - 2 Flieger  Westkurs ‑ Flieger, Vollalarm ‑ Vorentwarnung, Tiefflieger, Vollalarm, Vorentwarnung ‑ wieder ein Flieger, sehr hoch mit langem Kondensstreifen ‑  wieder Flieger, Alarm ‑ Vorentwarnung ‑ Flieger ‑  Vollalarm, Vorentwarnung ‑ Flieger, Vollalarm ‑ Flieger, weitab Bollern ‑ Vorentwarnung, Entwarnung ‑ 21 Uhr ohne Alarm Flieger ‑ Voralarm ‑ 22.30 Uhr Entwarnung.

 25. 3. 1945:

9.30 Uhr Voralarm ‑ Entwarnung ‑ Alarm, 4 Flugzeuge ganz hoch, plötzlich Bordwaffen, längere Zeit, Bordwaffen ‑ Brandsirene ‑ schwarzer Qualm - jetzt an 3 Stellen ‑ wieder Flieger ‑ wieder weg Vorentwarnung, Flieger ‑ Voralarm ‑ Flieger im Tiefflug, Vollalarm ‑ Vorentwarnung ‑ Flieger ‑ Entwarnung ‑ Flieger, Voralarm ‑ immer Tiefflieger und starkes Motorengeräusch ‑ Bordwaffen weiterab und Tiefflieger ‑ Entwarnung ‑ Flieger, Vollalarm, Tiefflieger ‑ Vorentwarnung, Flieger ‑ Vollalarm, Vorentwarnung, Flieger ‑ Entwarnung 19 Uhr ‑ 21:45 Uhr akute Luftgefahr ‑ 23 Uhr Entwarnung.

 26. 3. 1945:

7 Uhr Voralarm, Bordwaffen ‑ 7.05 Uhr Vollalarm, kleiner Verband ‑ Vorentwarnung ‑ Flieger, Bordwaffen, Vollalarm ‑ Vorentwarnung ‑Flieger ‑ es regnet ‑ weiterab schweres Bombardieren ‑ Tiefflieger, Vollalarm ‑ Vorentwarnung ‑ Flieger, Vollalarm ‑ Vorentwarnung ‑ Flieger, Tiefflieger, Vollalarm ‑ Vorentwarnung ‑ Flieger, Vollalarm ‑ Vorentwarnung ‑ Entwarnung.

 27. 3. 1945:

11.30 Uhr Voralarm ‑ 17.30 Uhr Flieger, Vollalarm, direkt wieder Vorentwarnung ‑ Entwarnung ‑ Flugzeuge 21.30 Uhr Voralarm Flieger ‑23 Uhr Entwarnung.

 28. 3. 1945:

9.15 Uhr Vollalarm - Flieger ‑ 10.30 Uhr Vorentwarnung ‑ Vollalarm, Verbände, Bombenteppiche ‑ das Haus wackelte ‑ helle Flammen in der Stadt, haushoch die Flammen ‑ an 2 Stellen Brand ‑ Tiefflieger, Bomben und Bordwaffen.

 

1) Olpe im 2. Weltkrieg 2) Als die Sirenen heulten 3) Flucht in die Felsen der Stadt 4) Bilanz des Schreckens
5) Frontabschnitt "Raum Olpe" 6) Eine Chronik dunkler Tage 7) Spurensuche 2004 by St. Kaiser