1) Olpe im 2. Weltkrieg

Wenige Wochen nach der Nationalsozialistischen Machtergreifung kam es Anfang März 1933 zu einem ersten Zwischenfall, als am Rathaus gegen den Willen des Bürgermeisters Heinrich Sommerhoff und ohne Zustimmung der Bevölkerung die Hakenkreuzfahne gehisst werden sollte. Mit Gewalt setzten jedoch SA-Leute unter Standartenführer Georg ihre Absicht durch. Kurz darauf ging Sommerhoff in Pension.

Am 10. April 1933 kam das Stadtparlament dem Dringlichkeitsantrag Reichspräsident Paul von Hindenburg und Reichskanzler Adolf Hitler die Ehrenbürgerschaft zu verleihen bei einigen Stimmenthaltungen nach. Einstimmig wurden am 18. August auch Vizekanzler Franz von Papen und Ministerpräsident Hermann Göring zu Olper Ehrenbürgern erklärt.

Ein gleichsam sinnbildlicher Akt fand am 17. September statt, als anlässlich einer Weihestunde zum Deutschen Tag Bürgermeister Theodor Schulte die Umbenennung des Marktplatzes in "Adolf-Hitler-Platz" bekannt gab. Damit war der erste Schritt auf dem Wege weiterer Veränderungen getan. Es fiel den neuen Machthabern schwer, das kurkölnische, das "schwarze" Sauerland gänzlich zu erobern. Ihre Propaganda war zwar meisterhaft, aber nicht überzeugend. Die mit viel Pomp veranstalteten Kreisparteitage in Olpe vom 16. bis 18. Oktober 1936 und am 20./21. Mai 1939 ließen trotz der stetig wachsenden wirtschaftlichen Gesundung das Misstrauen in der Bevölkerung nie ganz einschlafen.

Beschämend waren die Ereignisse der "Reichskristallnacht" vom 10. November 1938: Laut Bericht des Landrats marschierten 35 bis 40 SA-Männer und Angehörige der politischen Leitung morgens um 11:00 Uhr zum Hause Lenneberg, Felmicke 28. Unterwegs ertönten Kampflieder und Sprechchöre. Die Inneneinrichtung des genannten Hauses und anschließend die der Juden Emanuel, Bahnhofstraße 7, wurden demoliert und aufs Straßenpflaster geworfen. Alle männliche Juden gingen -mit Ausnahmen- vorübergehend in "Schutzhaft". Von versteckter Empörung bis zu offenen Mitleidsäußerungen reichten die Gefühle der meisten Olper. Nur wenige glaubten sich zu "Rächern am Judengesindel" berufen.

Knapp ein Jahr später brach (...) der zweite Weltkrieg über unser Land herein. Diesmal standen an seinem Beginn Ernst und Skepsis. Begeisterung stellte sich erst später ein, als mit schmetternden Fanfaren die Sondermeldungen von Sieg und Erfolg kündeten. (...)

Zu einem Schlag gegen die Kirche holte die Partei aus als Gestapobeamte am 19. Juni 1941 das Pallottinerkloster im Osterseifen beschlagnahmten und die Insassen vertrieben. Ein aufgeregtes Menschenknäuel umlagerte, traurig und wütend zugleich, stundenlang den Klosterhügel. Drei Patres wurden vier Wochen lang im Dortmunder Gestapogefängnis festgehalten und anschließend aus Westfalen ausgewiesen, ohne begründetes Urteil. (...)

Noch schien der Krieg Olpe links liegen zu lassen. Im Gegensatz zu den geplagten Großstädten lebte man nahezu ungestört, schlief ruhig und wurde satt. Kleine Belästigungen durch gelegentliche Flieger empfand man nicht schmerzlich, im Gegenteil, die allerersten Bombenwürfe, die ja kaum Schaden angerichtet hatten, speisten die Sensationslust vieler Neugieriger. (...) Wenn sich oft der Nachthimmel in Richtung Köln, Ruhrgebiet oder Kassel rötete, wenn im Widerschein zahlloser Brände der Horizont aufzuckte, rührte sich wohl das Mitleid für die dort gequälten. (...) Weil aber die Erfahrung am eigenen Leib fehlte gab es wenig Verständnis und Vorsicht. (...) Mit Beruhigung registrierte man die hochfliegenden Ballonsperren an der Listertalsperre.  (...)

Bereits am 10. Februar 1934 hatte eine Luftschutzübung an der Imbergvolksschule erfolgreich stattgefunden. Im Herbst 1942 gab es dann eine Art von Volksbelustigung auf dem Marktplatz, als beim Spiel der Feuerwehrkapelle sorgsam aufgeschichtete Gemüsekisten angezündet und gelöscht wurden. Die am 13. und 20. August (...) zeigten schon ernstere Seiten. (...)

Auf der Höhe des Imbergs stand am weg nach Rhode ein hölzerner Fliegerbeobachtungsturm. Sein Gegenstück auf dem Rhonardkopf blieb unvollendet. Zur Turmwache konnten seit 1940 alle geeigneten Männer und Schuljungen verpflichtet werden. Sie hatten jede Verdächtige Wahrnehmung am Olper Himmel telefonisch ins Rathaus zu melden. Hier war im Kellergeschoss seit dem 11. November 1941 eine LS-Warnvermittlungsstelle [LS=Luftschutz] eingerichtet und an die Warnzentrale in Siegen angeschlossen worden. (...) Alle Einflüge ins Reich wurden verfolgt und bei unmittelbarer Gefahr die Sirenen auf den Dächern des Rathauses und der St. Franziskusschule ausgelöst. (...) Seit Begin des Krieges bot die Stadt allabendlich ein düsteres Bild. Vorbei waren die Zeiten glänzender Schaufenster und strahlender Laternen. Die Verdunkelung durfte nicht den winzigsten Lichtschein durchlassen. Hausecken und Bordsteine trugen phosphoreszierende Markierungen und die Straßenpassanten einen Leuchtknopf am Mantelaufschlag. (...)

Die wichtigste Luftschutzmaßnahme bestand in der Einrichtung von möglichst bombenfesten Kellern, die in jedem Haus, am besten unter der Erdgleiche, vorhanden sein sollten. Mauerdurchbrüche als Notausgänge zur Nachbarschaft, Stahlplatten auf den Kohleeinwurfschächten gegen flüssiges Feuer, Betonmauern als Splitterschutz vor Kellerfenstern die über der Erde lagen, Holzstempel und Balken die den Keller versteiften und abstützten, Sandtüten, Wasserbehälter, Handspritzen, Gasmasken, Hacken und Schüppen, Verbandszeug und weitere Dinge mehr standen auf der großen Liste der Vorsorgeaktion. Die Hausböden waren schon längst entrümpelt, wichtige und wertvolle Gegenstände ausgelagert, vergraben oder eingemauert worden. Das Luftschutzgepäck sollte griffbereit gepackt und die Kleidung sorgsam ausgesucht werden. In Olpe fanden diese Maßnahmen keine schlagartige Erfüllung, sondern wurden erst gegen Ende des Krieges, als sie nötig erschienen, meist Hals über Kopf ausgeführt. Neben den privaten Kellern gab es öffentliche Schutzräume, meist in Behördenbauten oder besonders tiefen Hauskellern, die gut auf das Stadtgebiet verteilt und besonders gekennzeichnet waren. So suchte man z. B. gerne wieder Zuflucht in den alten Mauern des Hexenturms, wo das untere Stockwerk zu einem öffentlichen LSR [Luftschutzraum] ausgebaut wurde. (...)

"Martha-Quelle 9" - so hieß das Planquadrat Olpe auf den Karten des Langwellensenders "Primadonna", einer Dienststelle der Luftwaffe. Seit dem Sommer 1944 verfolgte auch in Olpe auf selbst gezeichneten Luftlage-Karten so mancher den Flug der immer häufiger vorbeidröhnenden Bomberströme. Der ganztägig rieselnde Rundfunk galt weniger der Entspannung als der Orientierung. Die Kurve der Fliegeralarme stieg stetig an. Für Olpe begann der Luftkrieg, wenn man von den harmlosen Plänkeleien der Jahre 1940/41 absieht, mit dem Tieffliegerangriff am 28. September 1944. Nach nur fünf Minuten Dauer wurde als erste Ziviltote dieses Krieges die junge Frau Thekla Deimel geb. Ruegenberg betrauert. Ihr Elternhaus "Auf der Mauer" war das erste von Bomben zerfetzte Wohnhaus. (...)

Von diesem Tag an waren Anordnungen vom oben nicht mehr vonnöten. Mit aller Hast wurden versäumte Luftschutzmaßnahmen nachgeholt. Die Behörden drängten zum raschen Ausbau der geplanten zehn Felsstollen. Splittergräben wurden ausgehoben oder bestehende verbessert, Die Polizeireserve, die Feuerwehr und die technische Nothilfe erhielten durch Männer, die keinen sonstigen Kriegsdienst zu leisten hatten, die notwendige Verstärkung. (...) Der Luftschutzkeller wurde ein wichtiger Aufenthaltsort, und immer mehr Menschen liefen zu den Felsenbunkern, obwohl dort die Arbeiten weitergehen mussten. Aus einer anfänglich ungeordneten Menschentraube organisierten sich richtige Bunkergemeinschaften. (...) Es gab einen Ordnungshüter in Person des Bunkerwartes, der die Alarmsignale durch Ein- und Ausschalten der Stollenbeleuchtung anzeigte, und barmherzige Schießmeister, die ihre Tagessprengung erst dann zündeten, wenn die Luft fliegerrein war. Vor allem in den ersten Monaten des Jahres 1945 breitete sich in diesen nassen und kalten, schlecht gelüfteten Höhlen eine Art "Bunkerkrankheit" aus. Sie befiel Menschen, die kaum aßen, zu wenig schliefen, manchmal panische Angst empfanden, schlaftrunken vor sich hin dösten, an großen Zukunftsplänen bauten oder schier in Verzweiflung versinken wollten. Hin- und hergerissen zwischen Hoffnung und Furcht, sehnten sie das Ende des Schreckens herbei, mit dem festen Willen zu überleben.

1) Olpe im 2. Weltkrieg 2) Als die Sirenen heulten 3) Flucht in die Felsen der Stadt 4) Bilanz des Schreckens
5) Frontabschnitt "Raum Olpe" 6) Eine Chronik dunkler Tage 7) Spurensuche 2004 by St. Kaiser